Ist Otto endlich fahrbereit?
Samstag, 10:43h. Ich rufe nun schon zum 5. Mal in der Werkstatt an. Ständig besetzt. Aber jetzt geht Stephan endlich ans Telefon. Der Defender ist fertig. Wir können ihn abholen. Wo wir denn bleiben würden, fragt er scherzhaft. Wir können es kaum fassen. Geht es jetzt wirklich los? Otto stand über 5 Wochen in der Werkstatt. Wir wissen gar nicht mehr, ob wir überhaupt noch los wollen 😀
Der Mechaniker zeigt uns stolz den ganzen Schrott, den er aus dem Auto rausgeholt hat. Schaltgetriebe, Verteilergetriebe, Stoßdämpfer und weil er so lange auf die Teile in England warten musste, hat er auch gleich noch alle möglichen Muffen, Öle und was weiß ich nicht alles erneuert. Den Wert davon erkennen wir schon gleich bei der ersten Fahrt zu Angelikas Eltern: Die Karre liegt wie ein Brett auf der Straße. Das macht richtig Bock! Also fahren wir wohl doch noch los. Es ist der 13.07.2024.
Wir sind nun seit genau 3 Wochen unterwegs und haben uns langsam eingegrooved. Höchste Zeit also die Erlebnisse Revue passieren zu lassen und aufzuschreiben. Auf Insta ist das aktuell nicht mehr möglich, weil die türkische Regierung diesen neumodischen Kram spontan gesperrt hat. Um so weiter wir gen Osten ziehen, umso mehr bekommen wir mit, wie die Welt wirklich aussieht. Wir wollten das Abenteuer – hier ist das Abenteuer 😉
Sanfter Startschuss ins Abenteuer
Natürlich starten wir aber erst mal ganz harmlos in Bayern. Ganz gemütlich schlagen wir unser Lager in einer ruhigen Ecke auf und werden gleich am nächsten Morgen herzlich von diversen Gassi-Führern Willkommen geheißen. Schnell erfahren wir wo es die besten Brötchen gibt, was für Aktivitäten heute anstehen, wie das Wetter wird. Natürlich auch die ein oder andere Lebensweisheit, die uns die Reise vereinfachen soll. Wir sind keine 24 Stunden unterwegs und fühlen uns schon pudelwohl. Wenn das so weitergeht, dann soll es uns recht sein.
Schnell durch Österreich, in letzter Sekunde noch die Vignette auf die Scheibe geklatscht und schon ziehen wir über den Eisernen Vorhang. Aus Versehen landen wir in der Slowakei am Donauufer, obwohl wir nach Ungarn wollten. Aber das tut dem Spaß absolut keinen Abbruch. Angelika fuchst sich schnell in die Mautsysteme des halben Ostens ein und kauft wie verrückt digitale Vignetten.
Alltag an den Ufern der Donau
Das mit der Donau gefällt uns, sodass wir einfach dranbleiben. Budapest, mit seiner unfassbaren schönen Burgfestung, beeindruckt uns zu tiefst. Gemeinsam mit Horden von Asiaten erobern wir die Kirchen, Ausgucke und Restaurants der Stadt. Immer den Fluß im Blick, der uns noch eine ganze Weile begleiten wird. In dem Land passt wirklich alles. Überall kann man kostenlos parken, alle sind super nett und das Essen ist ein Mix aus gutbürgerlicher und italienischer Küche.
Plötzlich hängt dann doch so ein komischer weißer Zettel an unsere Windschutzscheibe. Nur weil wir die Schilder nicht verstanden haben, heißt das noch lange nicht, dass das Parken hier kostenlos wäre 😉 Nachdem wir einen halben Monatslohn per Kreditkarte überwiesen haben, geht es also weiter. Raus aus der Stadt und rein in die Campingkultur Ungarns.
Diese Kultur läuft ungefähr so ab: Du suchst dir einen schönen Fleck irgendwo in der Natur, aber am besten direkt an der Donau. Dann parkst du, steigst aus, fährst deine Markise aus und öffnest ein kaltes Bier. Damit das Campingabenteuer aber wirklich vollständig ist, packst du jetzt deine Angel aus und stellst dich stundenlang ans Wasser. Weiterhin bewaffnet mit reichlich Bier. Natürlich erfolglos, also eigentlich nicht anders als am Rhein bei uns. Tatsächlich haben wir in zwei Wochen nicht einen einzigen Fisch am Haken gesehen. Petri Heil!
Achtung: Neues Abenteuer mit Otto…
Kaum beschließen wir die Donau zu verlassen, gehen auch schon die erste Wehwehchen los. Hätten wir doch weiter zum Schwarzen Meer fahren sollen? Das Auto macht einen plötzlichen Ruck nach rechts, fängt sich wieder und macht ab dann immer wieder sehr dubiose Geräusche. Wie kann das denn bitte sein? Wir sind doch keine 1.500km gefahren und schon geht das Drama wieder los?
Wir ignorieren das Thema für einen Tag, aber wir haben dann doch aus den letzten Monaten gelernt. Wenn an einem Defender irgendwas komische Geräusche macht, dann ist das kein Zufall. Es gibt einen echten Grund dafür und dem sollte man sowas von nachgehen. Macht man das nicht: Siehe die Geschichten zuvor mit Motorwechsel, Getriebewechsel und zwei Monate später losgefahren als geplant 😀
Das Geräusch kommt vom Vorderrad auf der Beifahrerseite, aber was ist das? Spaßeshalber gebe ich bei google Maps „Land Rover“ ein und tatsächlich: Mit nur einem kleinen Umweg könnten wir eine ungarische Werkstatt erreichen, die nur Land Rover repariert. Sind wir jetzt total hypochondrisch unterwegs oder sollen wir das einfach mal machen? Sicher ist sicher, also ist das nächste Tagesziel bestimmt. Kurz vor der Grenze zu Serbien und Rumänien laufen wir in einem kleinen Dorf ein. Google Maps führt uns selbstbewusst auf einen großen Hof. Nach Werkstatt sieht es hier nicht aus, aber schaun mer mal.
Wir erleben „ungewollt“ Ungarns Gastfreundschaft
Der Besitzer der Anlage begrüßt uns in bestem Englisch und fragt nach unserem Begehr. Er lacht sich kaputt. Eine Werkstatt habe er nicht, aber die Straßennamen und Hausnummern wären in dieser Gegend sowas von chaotisch, dass er uns gerne helfe. Eine halbe Stunde später sind wir dann tatsächlich in der Land Rover Werkstatt. Angeführt von unserem neuen Freund, der es total witzig fand, dass er noch nie was von der Werkstatt gehört habe.
Es vergehen keine weiteren 30 Minuten und schon kennen wir die ganze Familie. Sie haben jahrelang in Österreich eine Werkstatt betrieben und sind nun wieder mit der Liebe zu Land Rover in die Heimat gezogen. Wir tauschen uns über Gott und die Welt aus und nebenbei ist bereits die gesamte rechte Seite der Vorderachse zerlegt. Das Problem ist schnell gefunden. Ein klitzekleines Lager ist kaputt, weil es kein Öl mehr hatte. Kein Öl? Wir dachten um das Thema hätte sich die Werkstatt gekümmert? Und wo genau fehlt das Öl?
Es schwant mir Böses… Das Teil kenne ich. Und zwar bestens. Als wir Otto vor 6 Jahren gekauft haben, war genau dieses Teil meine erste Reparatur. Ausgestattet mit dem Fachwissen von youtube habe ich die ganze Achse zerlegt. Und dabei wohl einen klassischen Anfängerfehler vollzogen: Ich habe zu wenig Öl in die Achse gekippt. Dem Mechaniker ist es etwas peinlich mir zu sagen, dass ich da wohl selbst dran Schuld bin. Als er merkt, dass ich das mit Fassung trage, lachen wir uns beide kaputt. Er zeigt mir dann fürs Nächste Mal worauf ich alles achten solle 😉
Wie ein Wunder, findet sich tatsächlich auf dem riesigen Gelände genau das passende Lager und am nächsten Tag können wir Otto wieder in top Zustand abholen. Das ist also nochmals mit einem kleinen Schrecken gut gegangen und wir haben mega schöne Gastfreundschaft und Unterstützung erlebt. In der Regel ist die Werkstatt für 6-8 Wochen im Voraus ausgebucht. Aber die Policy lautet eindeutig „Reisende haben immer Vorrang“. Was für eine coole Einstellung!
Raus aus der EU
Serbien ist anders. Wir zücken zum ersten Mal unsere druckfrischen Reisepässe und bekommen gleich einen fetten Stempel verabreicht. Nix EU, nix Perso, aber trotzdem sind die Autobahnen gerappelt voll mit deutschen Kennzeichen. Alle machen sich auf den Weg in die Türkei, um Heimatbesuch durchzuführen und den Sommer mit der Familie zu genießen. Das Handy bleibt derweil aus, weil das Telefonieren mit deutschem Vertrag hier genauso teuer wie auf den Malediven oder irgendwo in Afrika ist. Irgendwie komisch. Immerhin sind wir doch noch in Europa.
Wir kommen wieder zurück zu unserer Donau und genießen Novi Sad und Belgrad. Wildes Treiben überall, mega coole Café Szene und überragendes Essen in den feinsten Sterne-Küchen zu vollkommen überschaubaren Preisen. Leider haben wir uns nicht so viel Zeit für Serbien genommen, aber hier gibt es noch einiges zu entdecken. Zum ersten Mal sagen wir: „Ist ja nicht so weit, da kommen wir einfach nochmal“. Der Satz hat sich mittlerweile schon diverse Male wiederholt. Scheinbar die ersten Anzeichen dafür, dass wir zu schnell reisen 😉
Erste nasse Outdoor-Abenteuer
Für das nächste Land nehmen wir uns also mehr Zeit. Wir wissen kaum etwas über Bulgarien aber schon direkt hinter der Grenze packt es uns. Weite Landschaften, tolle Seen, total lockerer Umgang mit Wildcampern (obwohl wir wieder in der EU sind) und richtig geile Nationalparks! Wir richten uns richtig häuslich an einem Baggersee ein, zwischendurch verschwinde ich mal zum Arbeiten in einem Starbucks und dann geht es in die Berge.
Der Rila Nationalpark hat alles was man zum Outdoor-Glücklichsein braucht. Brachiale Gewitter, wunderschöne Weitsichten, alpines Gelände, urige Berghütten und eiskalte Bergseen ohne Ende. Da die Wanderschuhe noch nicht sooo eingelaufen sind, nehmen wir die Gondel auf die Hochebene. Ein einfacher Skilift mit Zweisitzern an der frischen Luft zieht uns gemütlich knapp 20 Minuten den Berg hinauf. Es fängt an zu nieseln, dann zu regnen und dann kommt es in feuchten Massen von oben herab. Wir landen im absolutem Nebel. Eingehüllt in unsere Regenklamotten und sichtlich überrascht flüchten wir uns in die Berghütte. So typisch wie in den Alpen ist der Spuk eine Stunde später schon wieder vorbei und wir verbringen eine mega schöne Wandertour in den Bergen.
Endlich dürfen wir wieder den Werkzeugkoffer auspacken
Schnell noch den heiligsten Ort in Bulgarien, ein wirklich beeindruckendes Kloster aus dem 10. Jahrhundert abgeklappert und schon wartet das nächste Abenteuer auf uns. Der Kerl am Straßenrand winkt wirklich mit vollem Einsatz. Wir sollten wohl mal anhalten. Ob wir so einen Schraubenschlüssel hätten. Er will nur kurz seine Motorabdeckung abmontieren… Ok? Kurz darauf stehen der Kerl und ich mit ölverschmierten Händen an seinem Audi A3. Wir schmeißen alles auf den Motor was der Werkzeugkoffer zu bieten hat. Eine Zündkerze fliegt immer wieder aus dem Motor raus, aber dieses super tolle Klebeband, was uns irgendeiner auf einer Messe verkauft hat, erfüllt seinen Dienst. Die US Army nutzt das Tape wohl auch. Jetzt wissen wir warum 🙂 Ich finde es immer noch ein Wunder, dass der der Motor wirklich wieder läuft.
Ein überglücklicher Kerl fordert uns unmissverständlich auf ihm und seiner Frau zu folgen. Wir sind zum Essen eingeladen. Ich bete die gesamte Fahrt über, dass sein Auto hält und tatsächlich – wir rollen ungefähr eine Stunde später auf seinem Hof ein. Hier hat man irgendwie ein anderes Verhältnis zu „ist gleich um die Ecke“ 😉 Wir sind super dankbar für einen lustigen Nachmittag mit richtig leckerem Essen, Früchten aus dem Garten und einem herzlichen Austausch auf Russisch, Bulgarisch und Englisch.
Jetzt sind wir also in der Türkei. Wir haben Gas gegeben, um schnell hierher zu kommen. Raus aus Europa, ab nach Asien. Eintauchen in den Orient und ein bisschen von der verspäteten Abfahrt wieder reinholen. Auch wenn die Sonne hier auf uns niederbrennt, so hängt uns der Winter schon im Nacken. Wenn wir bis Ende Oktober nicht in Kirgistan sind, dann könnte es schwierig werden über die 4.000m hohen Pässe zu kommen. Auf der anderen Seite dürfen wir ständig erkennen, dass es hier für jedes Problem auch eine Lösung gibt. Sicherlich nicht nach DIN Norm, aber funktionsfähig. Wir machen uns also langsam locker und vergessen zwischendurch schon mal welcher Tag heute eigentlich ist.
Wir sind also endlich losgezogen. Danke für eure Unterstützung und Ermutigung und bis bald 🙂
Sehr schön Euch zu folgen. Weiterhin Gott befohlen und viel gute Abenteuer auf Eurer grandiose Tour.
Vielen lieben Dank, Johannes!
Ihr macht es spannend. Zum Thema Ersatzteile:
Neulich habe ich auf der Landstraße einen Defender gesehen, der einen Auto-Hänger hinter sich her zog. Darauf war: Ein weiterer Defender.
Anstatt Einzelteile auszutauschen, könnten ihr einfach ein Ersatzfahrzeug mitnehmen. 😉
Also die Anhängerkupplung haben wir dabei. Wir schauen uns mal nach einem Ersatzgefährt um 😉
Da habt ihr die letzten 3 Wochen schnell unglaublich viel erlebt und Gastfreundschaft kennengelernt.
Ich bin gespannt auf Asien und die nächsten Berichte von Euch.
Wo ist das unglaublich tolle Foto auf deinem WhatsApp Status liebe Angelika entstanden ?
Das mit den Heissluftballons.
Viele liebe Grüsse aus dem 8800 km entfernten Kanada 🍁
Birgit mit Familie
Das Bild ist in Kappadokien / Türkei entstanden – dazu aber nächste Woche mehr 😉
Viel Freude in Kanada!
Abgefahren! Danke fürs Mitnehmen.
Genug der Wortspiele 🙂 Gute Reise
Hehe 🙂 Sehr gerne & Danke fürs Mitkommen!
So toll von euch zu lesen!
Ich wünsche euch weiterhin tolle Abenteuer!
Vielen Dank, Elina!
Liebe Angelika, lieber Bernd,
bin über Euren Blog gestolpert, da ich mal sehen wollte, ob Ihr schon gestartet seid. Ich wünsche Euch eine gute und erlebnisreiche Reise, bleibt xunt&munter!
Christian Lenhart
Lieber Christian, vielen Dank für deine Wünsche! Angelika & Bernd