Echte Seebären werden am Bodensee gemacht

Spannende Segelabenteuer zu zweit

Der Wind pfeift uns um die Ohren und das Lachen an Bord verstummt langsam. Aus lustigen Gesprächen werden nur noch kurze Befehle. Schon sehen wir das Motorboot auf uns zukommen und sind direkt in Alarmbereitschaft. Wir sollen uns bereit machen für noch mehr Wind. Angelika und ich sind zum ersten Mal alleine draußen. Jetzt heißt es also reffen. Die Segel müssen schnell verkleinert werden, damit uns die nächste Böe nicht einfach umschmeißt.

Noch wenige Minuten zuvor scheint uns die Sonne entspannt auf’s Deck unseres Segelboots. Aber das ist nun vorbei. Jetzt lernen wir zum ersten Mal die ungemütlichen Seiten des Bodensees kennen. Und genau dafür sind wir hier, denn wir machen gerade das Bodenseeschifferpatent.

Plan B für ein kaputtes Getriebe

Bekanntermaßen liegt der Bodensee auf direktem Weg zwischen Mainz und Vietnam. Wir können also nicht anders als hier für zwei Wochen abzusteigen. Eine gemütliche Ferienwohnung in Überlingen wird zu unserem neuen Zuhause, zum Klassenzimmer und zum Büro.

Natürlich hätte es auch andere Wege nach Asien gegeben, aber wir warten mal wieder auf ein paar Teile aus England. Wir wollen euch nicht langweilen, nur ganz kurz: Neben dem Motor war auch eins der Getriebe des Defenders kaputt. Vermutlich war das sogar für den Motorschaden verantwortlich. Das Getriebe gibt es aktuell allerdings nur in England und dank Brexit dauert das mit dem Zoll eben seine Zeit. Zur Sicherheit haben wir gleich beide Getriebe bestellt. Otto wird also gerade zum Neuwagen umgebaut.

Mittlerweile fangen wir bei solchen Überraschungen beide direkt an zu lachen. Der Ärger ist binnen Minuten verflogen und innerhalb von zwei Stunden steht unser perfekter Plan B. Es wird uns klar, dass wir die Wartezeit mit unendlich vielen schönen Aktivitäten verbringen können. Was wäre es für ein Traum morgens ein bisschen zu arbeiten und nachmittags zu segeln? Angelika und ich wollen schon lange unsere Segelkenntnisse ausbauen. Also was für ein Glück, dass wir gerade zwei Wochen Zeit haben!

Wo wir gerade beim Thema Glück sind: Tatsächlich haben wir einen TÜV-Prüfer gefunden, der uns glücklich gemacht hat 😀 Er liebt das Reisen und alte Autos. Die frische TÜV-Plakette war also kein Problem – natürlich aber auch, weil technisch alles in bestem Zustand war.

Wir machen das Patent A, B, C und die 6

Für Wassersportler ist der Bodensee eine ganz spezielle Angelegenheit. Da kommst du nicht einfach so drauf. Deutschland, Österreich, Schweiz und Bayern teilen sich den See 😉 Und das führt unweigerlich zu einer langen Liste an Sonderregeln. Seit Jahren schon habe ich alle gängigen Bootsführerscheine für Motor- und Segelboote. Auf dem Bodensee sind die aber nichts wert.

Wir starten also die Mission „Bodenseeschifferpatent“. So nennt sich der ganz spezielle Führerschein für den Bodensee und den wollen wir unbedingt in Händen halten. Für Angelika ist der Spaß dabei etwas ernster als für mich, denn sie hat sich mit diesen Themen bisher nie auseinandersetzen müssen. Gemeinsam lernen wir also das Segeln von der Pike auf. In der ältesten Segelschule am Bodensee mit einem wahnsinnig engagierten Team an Segellehrern und gemeinsam mit tollen Mitseglern.

Mein Papa hat mir als Kind schon die Grundzüge des Segelns beigebracht. Aber was wir hier lernen ist nochmals eine ganz andere Liga. Jeden Tag geht es raus, egal bei welchem Wetter. Wir lernen bei Flaute ebenso viel wie bei Starkwind. Das ganze noch angereichert um Mann-über-Bord-Manöver, Ankern in einer der vielen Buchten, Badepausen und viel Wissen rund um das Wetter am Bodensee.

Prüfungsangst wie damals in der Schule

Zur Prüfung wird es dann nochmals ernst und natürlich macht sich Aufregung breit. Das Handy droht schon gleich am Morgen mit Sturmwarnung. Bereits von weitem sehen wir, dass sich die Wellen überschlagen. Da will jetzt keiner freiwillig raus, aber die Schule hat uns am Vortag schon versichert, dass hier keine Prüfung wegen Wetter abgesagt oder verschoben wird.

Als wir nach erfolgreicher Theorieprüfung zwei Stunden später wieder am Wasser stehen, regnet es aus Kübeln. Mit dem Regen ist der Wind verschwunden. Komplett! Statt Sturmsegeln ist jetzt also Flautenschieben angesagt. Der Bodensee zeigt sich mal wieder von seiner lustigsten Seite 😉

Am Ende besteht der ganze Kurs mit Bravour und der Bodensee hat mal wieder ein paar echte Seebären geschaffen. Zumindest haben wir jetzt die Lizenz, um weiter zu üben.

Lieber Bodensee, wir kommen auf jeden Fall wieder!